Nach der Nominierung für den CIVIS Medienpreis ist die FYEO-Serie „Wir schaffen das! Wie ein Satz Deutschland veränderte“ jetzt auch für den DRK-Medienpreis in der Kategorie „Digitale Medien“ nominiert! Anfang August 2021 werden die Preisträger*innen bekannt gegeben.
Für diesen Podcast sind unsere Reporterinnen Lea Hampel und Sham Jaff im Sommer 2020 im bayrischen Landkreis Weilheim-Schongau, um dort mit Menschen über die Frage zu sprechen „Haben wir’s denn geschafft, wie Merkel 2015 angesichts der vielen Geflüchteten, die neu nach Deutschland kamen, versprochen hatte?“. In acht Episoden geht es um Menschen, deren Leben sich durch die Worte der Bundeskanzlerin verändert hat. Menschen, die 2015 nach Deutschland geflohen sind, Menschen, die Geflüchtete auf- und angenommen haben und Menschen, die sich in Politik, Kirche, Gemeinde den neuen Verhältnissen gestellt haben.
Wie diese Gespräche gelaufen sind, könnt ihr bei FYEO auf der Website oder in der FYEO-App hören.
“Wir schaffen das! Wie ein Satz Deutschland veränderte” ist eine hauseins-Produktion für FYEO.
Skript: Lea Hampel, Sham Jaff und Susanne Klingner, Moderation: Lea Hampel und Sham Jaff, Gesamtleitung bei FYEO: Benjamin Risom, Luca Hirschfeld, Tristan Lehmann, Redaktion FYEO: Isabel Lübbert-Rein und Tristan Lehmann
Wenn ihr in die Episoden reinhören wollt, klickt auf das Episodencover. Ihr werdet dann auf Instagram zu einem Audiogram weitergeleitet.
Episode 1: Jost
Er ist evangelischer Pfarrer, erst in Weilheim, heute in Schongau, ist 56 Jahre alt und wurde 2015 zu einer zentralen Figur im ganzen bayrischen Oberland. Denn Jost Herrmann kümmerte sich da schon seit einigen Jahren um Asylsuchende. Sein Konfirmationsspruch wurde für ihn zu einer Art Leitplanke für seine Arbeit mit den Geflüchteten: „Ich bin fremd gewesen und du hast mir geholfen. Ich war nackt gewesen, du hast mir Kleidung gegeben. Ich war durstig und ihr habt mir zu trinken gegeben.“ Er spricht über die Welle der Hilfsbereitschaft, die auch ihn selbst überraschte – aber auch über Freundschaften im Ort, die über die Zuwanderungsfrage kaputtgingen und warum das Internet eine zentrale Rolle in seiner Arbeit als Geflüchtetenkoordinator gespielt hat.
Episode 2: Yara
Sie kam schon vor 2015 nach Deutschland, mit vier Kindern und einem kranken Mann. Auf ihrer Flucht, die sie von Syrien über einige Umwege nach Deutschland führte, wusste sie oft nicht mehr, wie sie für ihre Familie sorgen soll – und hat trotzdem weitergemacht. Bis sie in Weilheim ankamen und Yara dort ein neues Leben für sich und die ihren aufbaute. Sie arbeitet heute, 43 Jahre alt, in zwei Jobs: in der Hausaufgabenbetreuung und in einem Verein für geflüchtete Frauen, denen sie das Ankommen erleichtern will. Sie spricht über Solidarität und Anfeindungen, darüber, wie ein Stück Stoff wie das Kopftuch Karrieren verhindern kann, und sie erzählt, warum sie am liebsten mit älteren Menschen im Supermarkt schwatzt.
Episode 3: Klaus
Seiner Familie gehört seit 75 Jahren ein Motorenbauunternehmen in Weilheim. Klaus Bauer, Jahrgang 1955, ist auf dem Werksgelände quasi groß geworden, und für ihn war es schon immer normal, dass Menschen aus allen Ländern der Welt dort arbeiten, schon seitdem die ersten Arbeiter aus der Türkei nach Deutschland kamen. Er spricht darüber, warum er Asylsuchende als Chance für ihn und die deutsche Wirtschaft sieht, aber auch darüber, welche – teilweise verrückten – Hürden er gemeinsam mit den neuen Mitarbeitern überwinden muss. Und er erklärt, warum eine ökonomische Sicht auf die Neuankommenden vielleicht sinnvoller sein könnte als eine rein humanistische.
Episode 4: Mahdi
Er kam im Herbst 2015 nach Deutschland, allein und nur 15 Jahre alt. Seine Eltern hatten ihn fortgeschickt, weil er als Soldat in den Krieg gemusst hätte. Mahdi Alissas Flucht hätte katastrophaler nicht laufen können, zum Beispiel musste er stundenlang schwimmen – mit einem Kleinkind auf dem Rücken. Am Ende kam er mit sehr viel Glück nach München und dann nach Weilheim. Dort machte er seinen Schulabschluss, fand im Fußballverein neue Freunde und musste nebenbei vieles lernen: zuallererst Deutsch, und daneben viele Alltagsdinge wie Kochen oder wie man Wäsche wäscht. Aber auch, wie man einen Antrag auf Familiennachzug stellt.
Episode 5: Barbara
Sie ist Lehrerin am beruflichen Schulzentrum Schongau. Barbara Wendorff, 53, bringt dort jungen Menschen zwischen 16 und 21 Jahren die deutsche Sprache bei, aber auch die deutsche Mentalität und Gesellschaft nahe. Im Gespräch mit ihr wird sehr schnell klar, dass sie Idealistin und eine Kämpfernatur ist – und dass sie trotzdem immer wieder am System verzweifelt. Daran, wie schwer es jungen Geflüchteten oftmals gemacht wird, eine Ausbildung anzufangen und sich damit eine Zukunft aufzubauen – egal, ob die Zukunft hier oder in der alten Heimat sein wird. Und sie spricht darüber, wieso sie in den letzten Jahren angefangen hat, Tagebuch zu schreiben.
Episode 6: Susann
Sie kam 1979 aus Iran nach Deutschland gekommen, als sich dort die Unruhen auch auf ihre
internationale Schule ausweitete. Damals, so erzählt Susann Tabatabai-Schweizer, fanden es
Freund:innen und Bekannte noch „interessant“, dass sie aus einem anderen Land stammte. Heute
arbeitet sie als Kunsttherapeutin mit vielen Geflüchteten, vor allem aus Iran und Afghanistan. Sie
betreut viele Menschen, die hochtraumatisiert aus Kriegs- und Krisengebieten zu uns kommen und versucht, ihnen neue, positive Perspektiven aufzuzeigen. Sie sagt: Eigentlich müssten die hier
ankommenden Menschen viel stärker psychologisch betreut werden.
Episode 7: Halat
Als sie gerade mal 10 Jahre alt war, machte sich Halat mit ihrer Familie auf den langen Weg aus
Irak nach Deutschland. Ihre kleine Schwester, damals 7, stirbt fast auf der Flucht. Und doch, so
erzählt Halat, merken sie unterwegs immer wieder, wie anders die Menschen auf sie und ihre
Geschwister reagieren als auf erwachsene Geflüchtete. Hilfsbereiter, zugewandter. In Deutschland
schließen die Kinder schnell Freundschaften – allerdings eher mit anderen Kindern aus der ganzen Welt als mit alteingesessenen Weilheimer:innen. Wir sprechen mit Halat und unseren Expert:innen über die Frage, ob es für Kinder leichter ist, ein neues Land zu ihrer Heimat zu machen, und wie die deutsche Mehrheitsgesellschaft ihnen dabei hilft – oder auch nicht.
Episode 8: Andrea
Sie war seit gerade mal einem Jahr Landrätin von Weilheim-Schongau, als Andrea Jochner-Weiß
dafür verantwortlich wurde, hunderte geflüchtete Menschen in ihrem Landkreis mit dem Nötigsten zu versorgen: mit einem Dach über dem Kopf, mit Betten, Kochtöpfen, Kleidung, Waschmaschinen. Von allen Seiten wurde sie kritisiert. Von den einen, denen es nicht schnell genug ging mit der Hilfe, von den anderen, die das Gefühl hatten, ihnen würde ihr idyllischer Ort kaputtgemacht. Sie wurde bedroht und in vielen Nächten schlief sie einfach gar nicht mehr. In dieser letzten Folge bringen wir noch einmal alle Perspektiven zusammen: die von der Politik, die der Helferkreise, die der Geflüchteten, die der Kritiker:innen. Auf die Frage, ob wir es geschafft haben, sagen die allermeisten von ihnen am Ende aber doch: Ja, irgendwie schon.